Вадим Гущин: официальный сайт художника

Cтатьи

Brot und Kase im Museum 20.03.1999

Von Martin Jasper, 1999
Wadim Guschtschins Dinge sind einfach. Brot und Wein, Äpfel und Zwiebeln, Mandarinen, Knoblauch oder Paprika. Kleine Flaschen, Bücher und Tücher, Kisten und Krüge. Verblühte Rosen. Aber diese unscheinbaren Sachen sind aufgebahrt in Bildern, die sie zu Pretiosen verfremden. Wie Kleinodien, die es zu bewahren gälte für die Ewigkeit, sind die vergänglichen Waren auf Regalen zu kargen, klaren Stilleben stilisiert, in präzisen, strengen Kompositionen verdichtet.

Es sind stille, statische Werke, die im Braunschweiger Museum für Photographie zur Ausstellung „Meine Dinge“ des 1963 in Novosibirsk geborenen Fotokünstlers versammelt sind. Weit weg von dem, was derzeit als realistisch harte oder kunstvoll sublimierte Reportage-Fotografie über das Land am Rande des Zusammenbruchs kommt, ist Guschtschins Lichtbildnerei eher eine kontemplative, sehr grafisch formal orientierte Nachbetrachtung der klassischen Stilleben-Tradition in der Kunst. Doch während etwa die grossen niederländischen Virtuosen dieses Genres sich nicht sattmalen konnten an schimmernden Hummern, der Pracht von Fasadenfederkleidern oder dem Blitzen kostbarer Pokale, ist ihr Nachfahre mit der Kamera ein Purist. Ihn interessieren Linien und Strukturen. In seinen ungeheuer plastisch-scharfen, fein nuansiert ausgeleuchteten Fotografien treten die Gegenstände wie Skulpturen hervor, werden Oberflächen von alten Birnen oder Apfelsinen, von Brotlaiben oder Buchdeckeln zu schrundigen Miniaturlandschaften. Mittels Beschriftung schafft Guschtschin „seinen Dingen“ die Aura des Musealen. Das zumeist rasch verderbliche ist zu bestauen wie in einer Wunderkammer. Auch liebt er die Leere und lädt sie kompositorisch auf, vor allen in seiner entfernt an Stilleben des Malers Morandi erinnernden Regalbilder-Serie.

Auch wenn der Russe seine Bilder unabhängig von seiner Nationalität und eher westeuropäischen Stilleben-Traditionen verpflichtet wähnt: Die ganz und gar unspektakuläre Einladung, einfache Dinge des Lebens lange und genau zu beobachten, hat zumindest für Betrachter aus dem schrill überquellenden Westen doch ein wenig mit osteuropäischen Befindlichkeiten zu tun. Eine Proektion vielleicht, aber eine schöne.

Manchmal neigt Guschtschin zum Verspielen, posiert Nippes oder blühende Zweiglein neben seine Dinge. Da verlieren die Bilder sofort an Konzentration. Auch in seinen Farbarbieten geraten die Stimmungen mit blassrosa welkenden Rosen und fragilen Vasen manchmal an den Rand melancholisch-süßer Romaneinbände.

Je karger die Bilder, um so besser. Da scheint es auch eine Entwicklung zu geben. Sind frühe Stilleben Guschtschins noch vergleichsweise „barock“, so ist seine jüngste und wohl stärkste Serie fast schon abstrakt: Brot, Käse, Paprika. Sehr nah. Sonst nichts.

Schrift spielt als verfremdendes und zugleich grafische Akzente setzendes Element eine wichtige Rolle bei Guschtschin. Schon in seinen Bildfolgen über huschende und knabberrnde Ratten, in die Lexikon-Artikel montiert sind. Noch stärker aber in einer neuen Serie, in der er Gebrauchsgegenstände mit Seiten aus einem alten deutschen Sagebuch teilweise verhüllt und eine spannungsvolle Struktur schafft zwischen der Materialität des gerissenen, geknickten Papiers,der Schütterlin-Schrift und den fast nur noch ahnbaren Gegenständen.