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Von der Sinnlichkeit der Dinge

Ulrike Lahmann, 1999
Wadim Guschtschins Arbeiten sind gepraegt von der Tradition des Genres Stilleben. Die Begegnung mit den Werken alter Meister hat fuer ihn schon immer eine grosse Rolle gespielt, und so nutzte er auch Besuche in Deutschland und Frankreich zum ausgiebigen Studium barocker Gemalde in den grossen Bildersammlungen. Er stuetzt sich besonders in den fruehen Arbeiten zwar auf charakteristische Prinzipien des Bildaufbaus, bezieht sich aber nicht auf die historische Bedeutung der Elemente, die in der Stillebenmalerei inszeniert wurden. Der Fotograf unterliegt nicht mehr wie der Maler dem Zwang, Gegenstaende um ihrer Dokumentation willen oder ihrer Sinnbedeutung wegen festzuhalten. ,,Ich gehe davon aus, dass heutzutage praktisch alle Dinge aufgenommen sind." (W.G.)

Waehrend Stillebenmaler vor allem aus der kulinarischen und floralen Praechtigkeit schoepften, komponiert Wadim Guschtschin Dinge aus dem alltaglichen Leben, vor allem solche, die in seiner direkten Umgebung einen Platz haben, oder die er zufaellig findet.

Wadim Guschtschin arbeitet in Serien, wobei ein Bildelement als Leitmotiv dient und das Thema und die Komposition vorgibt. In einer seiner ersten Reihen, die zugleich programmatisch ist fuer die folgenden, benutzte er zufaellig gewaehlte Archivnummern, die er in das Obst einritzte. Da er gerade die vergaenglichen Gegenstaende einem imaginaeren Archiv zuordnet, fuehrt er ein mogliches Ordnungsprinzip ad absurdum, denn nach Ablauf von Zeit verschwinden mit den Dingen auch die Nummern. Erst durch das Medium Fotografie behaelt das Archiv seine Funktion, womit er auf die Eigenschaft der Fotografie als Dokument verweist. Hervorgehoben ist dies in den wenigen, fast monochromen Farbaufnahmen, in denen Wadim Guschtschin die Negativnummern als Archivierungselemente in das Bild mit einbezieht.

Die Nummer als Ordnungsprinzip wird in der zeitlichen Abfolge der Arbeit von Wadim Guschtschin zunehmend abgeloest durch andere grafische Elemente. Betrachtet man die Serie ,,Stilleben im Regal" als Reihe oder Tableau, wird das Archivierungsprinzip besonders deutlich. Auf dem Regal finden sich Fruechte, Gemuese, Blumen, Vasen, Buecher und Kistchen. Diese koennen und wollen nicht in Bedeutungszusammenhange gestellt werden. Sie dokumentieren zunaechst die Sammelleidenschaft Guschtschins. Die Formen der Dinge sind es, die in erster Lime die Aufmerksamkeit des Fotografen erregen und sich dessen Kompositionsfreude unterordnen muessen. Das Arrangement unterliegt dabei streng grafischen Gesichtspunkten. Er klammert die Farbe fast ganzlich aus, und die horizontale Aufteilung der Bilder durch das Regalbrett schafft erst den Gegensatz, der die organischen Formen hervortreten laesst.

,,Fruechte der Erde" ist eine der juengsten Arbeiten. Sie verraet schon im Titel den Systematisierungswunsch. Jedes Bild widmet sich einer Frucht, deren Name auf einem Etikett am Regal bezeichnet ist. Das Brett ist wie auch in den anderen Regalserien ein dominierendes Gestaltungselement, aber auch ein Symbol fuer das Bewahren. Im Tableau gesehen wirken zunaechst die Fotografien wie Illustrationen in Naturkundebuechern. Dabei bleibt offensichtlich, dass die Wahl der Gegenstande subjektiven Uberlegungen folgt.

Das Ausbreiten, Prasentieren und Ausstellen ist bei allen Arbeiten Guschtschins von grosser bildgestalterischer Bedeutung und erinnert auch an die Kunst- und Wunderkammern des 16. und 17. Jahrhunderts. Hier wurden gesammelte Artifizialien und Naturgegenstaende aufbewahrt und zur Schau gestell Die fotografische Arbeit Wadim Guschtschins konnte eine moderne Variante sein, denn hier wie dort wurden Gegenstaende in erster Linie nach aesthetischen Gesichtspunkten zusammengetragen und geordnet. Nur im weitesten Sinne dienen die Dinge der Erziehung und der Erkenntnismoglichkeit.

,,Meine Dinge" von Wadim Guschtschin ist ein beeindruckend verdichtetes Werk von Formensprache, Oberflaechenmaterialitaet und Bildkomposition. Durch ihre strenge Intensitaet sind Guschtschins Fotografien zu allererst Objekte fuer den Genuss und Bilder fuer eine Schule des Sehens.